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Stadtentwässerung Stuttgart SES

–  Große Kanalführung am 8. Mai 2024 –

Kaum jemand kann sich heute noch vorstellen, wie die Entsorgung von Fäkalien, Schmutzwasser oder Fleischabfällen aus Schlachtereien noch bis Ende des 19. Jahrhunderts ausgesehen hat. Alles landete im Straßengraben oder z.B. in Stuttgart im damals noch oberirdisch und mit wenig Wasser langsam fließenden Nesenbach, wobei der Unrat ungefiltert in den Neckar floss. Häufige Erkrankungen und Todesfälle durch die Ausbreitung von Bakterien waren die Regel.

Erst mit der Einrichtung der Latrineninspektion durch die Stadt im Jahre 1873 wurde eine geregelte Entleerung der Abtritt- und Sickergruben in Angriff genommen. 1874 beauftragte der Gemeinderat den englischen Ingenieur J. Gordon mit der Erstellung eines generellen Dolenplans. Das Kanalsystem mit heute ca. 1700 Kilometern und jährlich 80 Millionen Kubikmeter Abwasser fand damals seinen Anfang.

Die SES und das Tiefbauamt hegen und pflegen das Kanalnetz regelmäßig. Damit Klärwerke und das Abwassersystem rund um die Uhr funktionieren, müssen die Anlagen ständig gepflegt, erneuert, verbessert und auf neue Anforderungen hin ausgebaut werden. Im Jahre 2021 wurden 339 km Kanäle gereinigt, es erfolgten 1950 Inspektionsgänge und 1666 Störungen wurden beseitigt.

Unerwartet spannend und interessant fanden 30 Seniorinnen und Senioren in drei Gruppen die Führungen der Herren Martin Loser (1.Gruppe) und Sebastian Lübbe (2. Und 3. Gruppe) einige Meter durch den über 100 Jahre alten, gemauerten Entwässerungs-Hauptkanal am Neckartor, die erst nach Anlegen der Schutzausrüstung mit Einmalanzug, Helm, Handschuhe, Gummistiefel, Sicherheitsgurt und Lampe und mit ausführlicher Sicherheitseinweisung beginnen konnte. Trotz der sorgfältigen Reinigung der Wegstrecke im Kanal durch die Mitarbeiter der SES könnte ein Ausrutschen und womöglich ein damit verbundener Sturz in den Abwasserkanal bei einer Tiefe von 80 Zentimetern und einer Fließgeschwindigkeit von etwa 500 Litern pro Sekunde durchaus tödlich verlaufen. Handläufe und drei Mitarbeiter der SES als Begleitung auf unserem Weg sorgten allerdings für gute Sicherheit.
Beim Begehen eines mit neuen Materialien sanierten Nebenkanals zeigte sich für größere Personen, dass der vorgeschriebene Helm seinen Sinn hat. Da musste manche oder mancher schon seinen Kopf einziehen. Das Interessante an dem Auslauf des Nebenkanals war die Belegung des Bodens mit Travertinstein. Offensichtlich gab es diesen eigentlich doch relativ hochwertigen Stein in der Stuttgarter Umgebung in Hülle und Fülle, so dass man ihn für diese Zwecke einsetzte.

Der Einstieg in das Kanalsystem erfolgt normalerweise über eine Einstiegsluke. Nicht über die komfortable Besuchertreppe, sondern über eine Steigleiter, bei der ein angelegter Sicherheitsgurt mit Sicherheitsleine gegen Abrutschen oder gar Abstürzen Pflicht ist. Besichtigen konnten die Gruppen auch die Einstiegsluken und Wandeisen, über die frühere Generationen in das System einsteigen mussten. Das ist u. a. sicherheitstechnisch natürlich nicht mit den heutigen Verhältnissen vergleichbar und war doch recht abenteuerlich.

Die Gruppen konnten sich davon überzeugen, wieviel Arbeit hinter den Kulissen -sprich unterirdisch- von den 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SES für die Allgemeinheit geleistet wird.
Eine Befürchtung der Teilnehmenden erwies sich allerdings als gegenstandslos: Kanalratten wurden keine gesichtet! Allerdings gibt es im Stuttgarter Kanalsystem viele Ratten, welche die Beschäftigten der SES immer mal wieder sehen. Beim ersten Lichtschein sind sie verschwunden, wusste unser Führer Herr Lübbe zu berichten und wies auf das Problem hin, dass noch viel zu häufig Essensreste in der Toilette und im somit im Kanalsystem landen. Davon leben die Tiere zum Großteil!

Es war wieder ein interessanter Nachmittag, wir haben viel gelernt und dürfen uns deshalb nochmals ganz herzlich bei den beiden Führern Herrn Loser und Herrn Lübbe sowie bei den äußerst freundlichen Damen und Herren bedanken, die uns mit Getränken versorgt haben und beim lustigen Ankleiden der Schutzausrüstung behilflich waren.

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