Ein Highlight im umfangreichen Ausflugsprogramm des Regionalverbandes Schorndorf im 1. Halbjahr 2024 war sicherlich der Ausflug nach Ludwigsburg mit dem Besuch des Residenzschlosses, wo wir ins Jahr 1769 zurückversetzt, stilecht von der Baronin zu Auerscheidt empfangen wurden. Doch der Reihe nach…
Mit MEX 13 und 17 ging die Reise der 16 Damen und Herren von Schorndorf über Stuttgart Hbf. nach Ludwigsburg. Quer durch die quirlige Innenstadt von Ludwigsburg über den Markt mit seinen vielfältigen Marktständen gelangten wir zum Schloss, wo im Café Schlosswache eine Stärkung auf uns wartete.
Nach dem Mittagessen waren dann alle ganz gespannt, was uns denn mit dem weiteren Programmpunkt „Zwischen List und Lust – Tête-à-Tête mit einer Mätresse bei Hofe“ erwarten würde. Und die Überraschung war groß, als plötzlich Isabella Marie Amalie von Drachenegg, Baronin zu Auerscheidt in Originalkleidung aus dem Jahr 1769 auftauchte und uns begrüßte und sogleich eine Einführung in die Etikette bei Hofe gab, so dass klar war, wie wir uns zu benehmen hatten. Beim anschließenden Lustwandeln durch die herzoglichen Gemächer erfuhren wir dann viel Amüsantes aber auch ernste Hintergründe.
Aber lassen wir doch Baronin zu Auerscheidt selber zu Wort kommen, und zwar die Dame, die diese Rolle perfekt spielt: Kunsthistorikerin Tabea Schulz. Sie hat diese Führung „Zwischen List und Lust“ ausgearbeitet und in Szene gesetzt:
„Meine Führung behandelt das Mätressenthema v.a. in Württemberg und spielt 1769, in dem Jahr, in dem sich Herzog Carl Eugen noch nicht seiner finalen Mätresse Franziska von Leutrum, spätere Herzogin Franziska von Hohenheim zuwandte und sein Leben ruhiger gestaltete. Aktuelle Maitresse en Titre, erste Geliebte und Favoritin bei Hofe ist die italienische Primadonna Caterina Bonafini.
Mein Alter „Ego Isabella Marie Amalie von Drachenegg, Baronin zu Auerscheidt“ möchte ihr diese Position unbedingt abjagen, da diese im 18. Jahrhundert eine Rangerhöhung, Macht sowie Einfluss bedeutet.
Meine Rolle ist fiktiv, das heißt die werte Dame gab es so nie – es ist allerdings bekannt, dass Herzog CE sehr frauenaffin war und über einfache Amouren aus dem Theater hinaus, scheinbar (wissenschaftlich nicht komplett gesichert), mehrere Mätressen gleichzeitig besaß. Man sagt teilweise, halb Degerloch gehe heute noch auf ihn zurück. Mindestens 77 (legitimierte) Kinder sollen es gewesen sein, manchmal ist die Rede von 300 bis hoch zu tausend.
Das Amt der Mätresse in der Wissenschaft betrachtet ist vielfältig und für unsere Gesellschaft heute nur schwierig zu verstehen. Betrachtet man allerdings die allgemeine Rolle der Frau in einer von Männern regierten Welt wird schnell klar, welche Karrierewege gern eingeschlagen wurden, um die eigene Sicherheit herzustellen und vielleicht sogar eine Rangerhöhung (in Frankreich diverse Adelstitel, in Württemberg war es schwieriger) zu bewirken.
Es gab einige Mätressen, die vom Herrscher selbst erwählt wurden und nicht aus politischer Sicht zugeteilt wurden, wie die meisten Ehefrauen. So war das manchmal eine beiderseitige einzige Chance auf Liebe.
Dafür muss eine Mätresse natürlich Fähig- und Fertigkeiten mitbringen – Geist, Esprit, Warmherzigkeit, Raffinesse, Unterhaltung, sprachliche Begabung, Witz, Charme, wir könnten wohl ewig so weitermachen…
Schnell wird deutlich, wie intelligent diese Damen waren. Gleichzeitig gaben sie unheimlich viele Freiheiten auf, mussten sie denn stets an der Seite des Herrschers stehen, wenn dieser befahl.“
Wir hätten Frau Baronin noch gerne weiter zugehört, doch leider war die Zeit viel zu schnell vorbei gegangen. Mit einem großen Applaus verabschiedeten wir uns und begaben uns auf den Heimweg. Alle waren sich einig, dieses Schlosserlebnis muss man weiterempfehlen,
Wer sich nun weiter in das Thema vertiefen will, kann dies literaturtechnisch machen:
– Walter Fellmann: Mätressen
– Sybille Oswald-Bargende: Die Mätresse, der Fürst und die Macht
– Paul Sauer: Musen, Machtspiel und Mätressen
– Gabriele Hoffmann: Constantia von Cosel und August der Starke (Roman)
Klaus Hofmann