Annähernd 6.000 Beschäftigte gingen am 30.11.2023 in Stuttgart für Einkommensverbesserungen auf die Straße
Annähernd 6.000 öffentlich Beschäftigte sind heute (30.11.2023) dem Streikaufruf des dbb und BBW Beamtenbund Tarifunion gefolgt und zur Großdemo nach Stuttgart gekommen. Auf ihrem Protestmarsch rund um die Stuttgarter Innenstadt, vorbei am Finanzministerium, machten sie ihrem Unmut mit Trillerpfeifen lautstark Luft. Mit eindeutigen Botschaften auf ihren Transparenten und Bannern untermauerten sie die Tarifforderung: Schluss mit dem Spardiktat. 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 500 Euro sind angemessen und mehr als überfällig.
Foto: Friedhelm Windmüller
Entsprechende Töne schlugen auch dbb Tarifchef Volker Geyer und BBW-Landesvorsitzender Kai Rosenberger bei der Abschlusskundgebung im Schlossgarten an, zu der auch zahlreiche Beamtinnen und Beamte in ihrer Mittagspause sowie viele Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger gekommen waren.
„Das Maß ist voll, wir haben genug“, heizte Rosenberger die Stimmung im Schlossgarten an. Seit 2021 habe es nur eine mickrige Gehaltserhöhung von 2,8% zum 1.12.2022 gegeben. Bei der Inflation, die seit 2021 in der Summe bei mindestens 13% liegen dürfte, bedeute dies einen Kaufkraftverlust im zweistelligen Bereich. „Damit muss Schluss sein“, rief er den Demonstrierenden zu, die mit lautstarkem Beifall Zustimmung bekundeten. „Sollte die TdL in der dritten Verhandlungsrunde nicht endlich ein vernünftiges Angebot vorlegen, werden wir flächendeckend zu massiven Streiks aufrufen und große Teile der Verwaltung lahmlegen“, unterstrich der BBW-Vorsitzende zugleich die Kampfbereitschaft der Organisation.
Als weiteren zwingenden Grund, endlich die Sparpolitik zulasten des öffentlichen Dienstes zu beenden, nannte der BBW-Vorsitzende den Personalmangel. Bundesweit fehlten im öffentlichen Dienst 550.000 Beschäftigte. Für Baden-Württemberg bedeute dies rund 55.000 fehlende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung. Deshalb lautete Rosenbergers Botschaft an die Regierenden der Länder: „Wacht endlich auf. Macht euren Einfluss geltend auf die Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder.“ Über Jahrzehnte habe man den öffentlichen Dienst kaputtgespart. Das müsse jetzt ein Ende haben.
Wer jetzt Arbeitskräfte gewinnen will, müsse Geld in die Hand nehmen. Rosenberger: „Wir brauchen mehr Lohn: 10,5%, 500 Euro mehr im Monat haben wir uns schon lange verdient.“ Die Polizei sei am Limit, die Gerichte und Strafvollzugsanstalten ebenso. Wer jetzt nicht anständig bezahlt, habe keine Chance die durch Altersabgänge freiwerdenden Stellen zu besetzen. Wer Bildung für unsere Kinder will und dadurch den Wohlstand sichern möchte, der müsse auch Lehrerinnen und Lehrer anständig und fair bezahlen.
Durch ihre Taktik, auch in der zweiten Verhandlungsrunde kein Angebot auf den Tisch zu legen, riskierten die Arbeitgeber, dass die Beschäftigten ihr letztes Vertrauen in ihren Arbeitgeber bzw. Dienstherrn verlieren, schimpfte Rosenberger und warnte zugleich: „Die Handlungsfähigkeit des Staates steht auf dem Spiel und die Arbeitgeber nehmen dies bewusst in Kauf.“ Für alles Mögliche werde viel, oft viel zu viel, Geld in die Hand genommen. Nur für die eigenen Beschäftigten sei anscheinend nie Geld da. Dabei seien es gerade die öffentlich Beschäftigten, die das Gemeinwesen am Laufen hielten.
Die Bevölkerung in Deutschland wünsche und fordere einen handlungsfähigen Sozialstaat. Diese Aufgaben könnten aber nur von Menschen erledigt werden. Dafür brauche es ausreichend Personal, sagte Rosenberger und stellte unter dem Beifall der Demonstrierenden klar: „Deshalb muss die laufende Einkommensrunde eine Investitionsrunde sein und eben keine Sparrunde.“ Klar sei aber auch, dass die Tarifverhandlungen nur der erste Schritt zu mehr Gerechtigkeit sein können. In einem zweiten Schritt müssten die Ergebnisse dann ohne Abstriche auf die Besoldung und Versorgung der Beamtinnen und Beamten sowie der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger übertragen werden.
In den vergangenen zwei Verhandlungsrunden hätten die Verhandlungsführer der Länder genug Gelegenheiten gehabt ein Angebot vorzulegen, sagte dbb Tarifchef Volker Geyer. Statt bitter notwendigen Einkommensverbesserungen hätten sie den Gewerkschaftsvertretern aber nur die kalte Schulter gezeigt. „Wir dürfen uns von den Arbeitgebenden wieder und wieder die gleichen schwachen Argumente anhören: Die Forderungen seien zu hoch und die Kassen leer“, berichtete Geyer und fügt verärgert hinzu: In einer Zeit, in der die Inflation seit 2021 anhaltend hoch ist und es einen Arbeitskräftemangel in Deutschland gibt, sei diese Verweigerungshaltung nicht hinnehmbar. Deshalb habe der dbb heute auch zum Warnstreik und der Demonstration in Stuttgart aufgerufen. Schließlich seien die derzeit geltenden Einkommen und Arbeitsbedingungen mit den vielfältigen Krisen unserer Zeit nicht mehr vereinbar. Volker Geyer: „Wer Bildung, Sicherheit, Infrastruktur und Pflege will, muss die Menschen in diesen Bereichen auch angemessen bezahlen, statt an jeder Ecke zu sparen. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst halten Deutschland am Laufen. Wer meint, beim öffentlichen Dienst sparen zu müssen, darf sich nicht wundern, wenn er bald nicht mehr funktioniert. Mit dieser gesellschaftlichen Kurzsichtigkeit sparen sich die Länder selbst kaputt.“